Oskar Enseling: Aus North-Carolina zum heimatlichen Silvesterlauf-Doppel

08.01.2024 | Seit August 2022 studiert und trainiert Oskar Enseling in den USA. In Wingate (North Carolina) ist er Teil eines starken Teams. Den Weihnachtsurlaub in der Heimat garnierte er mit einem Doppelstart beim Münsteraner Silvesterlauf.

Sponsor

Das Siegertrio über die 10 km (© Sabine Roters / Münster aktiv)

Zweimal schlüpfte Oskar Enseling beim Münsteraner Silvesterlauf am Sportpark Sentruper Höhe in die Wettkampfkluft der LG Brillux. Zwei spannende Duelle lieferte er sich mit Nils Huthakangas (LG Osnabrück) – über die 5 km zog Oskar in ausgezeichneten 15:23 Minuten den Kürzeren, eine gute Stunde darauf wendete er das Blatt auf der 10 km-Distanz mit neuem Streckenrekord (32:47 Minuten). „Mein Trainingsplan sah vor, nach dem 5 Kilometer-Wettkampf noch einen 5 Kilometer-TDL zu absolvieren. Nils Huthakangas und ich haben uns dann für eine spontane Nachmeldung für die 10 Kilometer entschieden. Unterm Strich war es ein cooler Tag in bester Gemeinschaft – man pusht sich gegenseitig ans Limit und hat einfach Spaß am Laufen“, genoss Oskar seinen fordernden Doppelstart. Was das kühne Unterfangen noch besonderer macht: Oskar Enseling absolvierte den Silvesterlauf „auf Heimaturlaub“. Der 22-Jährige lebt, studiert und trainiert seit August 2022 in den USA.

Psychologie-Bachelor an der Wingate University in North Carolina

Gerade einmal 4.000 Einwohner zählt das Städtchen Wingate, gelegen vor den Toren der Südstaaten-Metropole Charlotte. 3.600 davon besuchen als Studierende die Wingate University. Sie verteilen sich auf knapp 40 Bachelor- und acht Master-Hauptfächer. Der schmucke Campus ist ein Paradies vor allem für Sportler: Ein Leichtathletik-Stadion, zwei Basketballplätze, ein Multifunktionsareal mit Hallenbad, zwei Fitnessstudios und weiteren Trainingsflächen, dazu eine eigene Crosslaufstrecke vereint die Universität auf ihrem Gelände. In diesem Umfeld hat Oskar Enseling zum Fall Semester 2022/23 sein Psychologie-Studium aufgenommen. An der kostenintensiven Privat-Universität studiert er mit einem Sport-Stipendium.

„Der Sport ermöglicht es mir, für einige Jahre auf einem anderen Kontinent zu leben, eine andere Kultur kennenzulernen, neue Freunde zu finden. Für mich ist das ein großes Ding und ich bin dafür sehr dankbar.“

„Der Sport ermöglicht es mir, für einige Jahre auf einem anderen Kontinent zu leben, eine andere Kultur kennenzulernen, neue Freunde zu finden. Mit dem Stipendium kann ich einen Großteil der hohen Studienkosten finanzieren – für mich war und ist das ein großes Ding und ich bin dafür sehr dankbar“, ordnet Oskar Enseling sein USA-Abenteuer als Privileg ein. Verdient hat er sich das Privileg mit Leistungsstärke: Oskars persönliche Bestzeiten von 14:53,09 Minuten über die 5000 Meter und 8:36,74 Minuten über die 3000 Meter ebneten ihm im Frühjahr 2022 den Weg ins lukrative US-Sport-Stipendiensystem. Für die Dauer der vierjährigen Regelstudienzeit seines Undergraduate-Programms (Bachelor) wird er finanziell unterstützt.

Sport-Stipendium in kompetitivem Umfeld

Indes war der Leistungssport Türöffner und Triebfeder in einem: „Als ich mich um das Stipendium beworben habe, ging es vor allem darum herauszufinden, was läuferisch noch geht. An den US-Colleges lassen sich Leistungssport und Studium hervorragend aufeinander abstimmen. Verpasst man etwa wettkampfbedingt ein oder zwei Tage an der Universität, ist das kein Problem, im Gegenteil: Die Professoren sind vielmehr dankbar, dass man die Universität vertritt.“ Sport hat an den US-Colleges einen hohen Stellenwert. Dabei sind auch die Leichtathleten, eigentlich klassische Individualsportler, an ihrer Universität zuallererst Teamplayer: Im elaborierten Wettkampfsystem der NCAA (National Collegiate Athletic Association) treten die Universitäten in drei Divisionen gegeneinander an, zumeist bei Conference-Wettkämpfen (im Falle von Wingate in der South Atlantic Conference), gefolgt von den Regional Championships und, bei erfolgreicher Qualifikation, gipfelnd in den National Championships.

Phänomenale Team-Atmosphäre, elf Nationen

Die Wingate University ist in den zurückliegenden fünf Jahren zu einer Hochburg speziell im Crosslauf aufgestiegen. Im November gewannen die „Bulldogs“, so der Beiname aller universitären Sport-Teams in Winigate, erstmals in der Geschichte die National Cross Country Championships der Division II. Die Leistungsdichte bei den Läufern ist derart hoch, dass nur einem kleinen Prozentsatz der Sprung in die Auswahl für die regionalen und nationalen Meisterschaften gelingt. Im Trainingsalltag ist dieser kompetitive Charakter Teil einer positiven Gruppendynamik: „Unser Cross-Country-Team umfasst 30 bis 40 Jungs und jeder bringt eine absolute Hingabe fürs Laufen mit. Unser spanischer Headcoach Paul Domenech hat eine phänomenale Team-Atmosphäre kreiert. Hier denkt man beispielsweise nicht darüber nach, ob man Lust auf den Longrun hat – man ist dabei, mit hoher intrinsischer Motivation“, schwärmt Oskar Enseling vom außergewöhnlichen Spirit.

„Unser Cross-Country-Team umfasst 30 bis 40 Jungs und jeder bringt eine absolute Hingabe fürs Laufen mit. Unser spanischer Headcoach Paul Domenech hat eine phänomenale Team-Atmosphäre kreiert.“

Außergewöhnlich ist auch die nationale Vielfalt innerhalb des Cross-Country-Teams: Läufer elf verschiedener Nationen laufen für die Wingate Bulldogs im Gelände, darunter Briten, Franzosen, Niederländer und drei Deutsche. „Unsere Universität ist insgesamt überaus divers. Ca. 40 bis 50 verschiedene Nationen trifft man aktuell auf dem Campus, und es ergeben sich immer wieder spannende Gespräche“, ist Oskar begeistert vom internationalen Flair seiner Hochschule.

Dessen ungeachtet bleibt der Kontakt zu seiner alten Münsteraner Trainingsgruppe bestehen: „Ich habe einige meiner besten Freunde durch die Trainingsgruppe kennengelernt. Deshalb freue ich mich immer, wenn ich im Summer- und Winter-Break nach Hause komme. Das gemeinsame Training oder Unternehmungen abseits des Sports sind dann fest eingeplant.“

Stressfraktur und ernüchternde Wettkampf-Resultate überschatten erstes College-Jahr

Bei allen positiven Aspekten des Lebens in den USA musste Oskar Enseling im ersten Studienjahr auch eine schwierige Zeit überstehen. Der Freshman hatte im Herbst 2022 gerade die Anpassung an die neuen Trainingsreize abgeschlossen, als ihn eine Stressfraktur im Oberschenkel ausbremste. Oskar Enseling: „Das war für mich ein großer Dämpfer. Ich konnte acht Wochen lang kein Lauftraining absolvieren und habe mich stattdessen vorübergehend dem Triathlon-Team angeschlossen. Auch das war eine coole Zeit, aber ich wurde in meinen läuferischen Ambitionen weit zurückgeworfen.“ Der ehrgeizige Läufer war mit dem Ziel nach North Carolina gegangen, seine 5000 Meter-PB möglichst nah in Richtung der 14 Minuten zu drücken. Stattdessen folgte auch nach der Rekonvaleszenz eine ernüchternde Phase: „Zwischen März und Juni 2023 konnte ich zwar gut trainieren, aber es es mir nicht gelungen, den hohen Aufwand in akzeptable Wettkampf-Resultate umzusetzen. Das hat mich tief enttäuscht und tat sehr weh.“

Mit neuer Einstellung den Spaß am Laufen zurückerlangt

Oskar gelang im Übergang zum laufenden Semester ein ebenso bemerkenswerter wie goldrichtiger mentaler Transformationsprozess: „Ich hatte mich bis dahin sehr stark auf Zeiten fokussiert, vermutlich zu stark. In den Herbst bin ich mit der Einstellung gegangen, einfach nur laufen zu wollen – weil es mir Spaß macht. Ich habe mir vor Augen geführt, dass ich schon jetzt der beste Läufer bin, der ich sein kann. Dass ich auch weiterhin dieser Läufer sein werde; ich werde so schnell laufen, wie es mir möglich ist, ich werde so nah an meine Grenzen heranlaufen, wie es mir möglich ist – um dann zu merken, dass die Grenze vielleicht doch noch nicht erreicht ist. Zeiten sind für mich kein Selbstzweck mehr, wobei Laufen eigentlich einer sehr einfachen Logik folgt: Gibst du alles, wirst du vermutlich auch eine schnelle Zeit erreichen.“

„Ich habe mir vor Augen geführt, dass ich schon jetzt der beste Läufer bin, der ich sein kann und auch weiterhin dieser Läufer sein werde. Ich werde so schnell laufen, wie es mir möglich ist und so nah an meine Grenzen heranlaufen, wie es mir möglich ist – um dann zu merken, dass die Grenze vielleicht doch noch nicht erreicht ist.“

Dank dieser besonnenen Herangehensweise und einem stabilen Selbstwertgefühl geht es bei Oskar Enseling in den letzten Monaten sukzessive nach oben. Der junge Deutsche absolvierte eine sehr gute Cross-Saison und nahm als Teil der Team-Auswahl an den South Atlantic Conference Men’s Cross Country Championships teil – Wingate siegte überlegen, Oskar Enseling wurde im „Second Team All-Conference“ gelistet. Listungen dieser Art würdigen besonders starke Individual-Leistungen von Läufern aller dreizehn Conference-Teams. Für Oskar zahlte sich das knüppelharte Training mit Schwellenläufen und gesteigerten Tempodauerläufen auf dem Campus-eigenen Cross-Kurs aus – die Relation von Aufwand und Ertrag, sie stimmt wieder.

„Bachelor of Psychology“ für den Sommer 2026 avisiert

Den Silvesterlauf in Münster absolvierte Oskar Enseling nach kurzer Verschnaufpause weitestgehend auf der Basis von Grundlagentraining. Der 22-Jährige ist deshalb optimistisch, 2024 weitere Steigerungen zu erzielen. Sein Sport-Stipendium läuft bis in den Sommer 2026, dann wird Oskar den „Bachelor of Psychology“ abschließen. „Ich möchte die nächsten 2,5 Jahre in den verschiedenen Lebens-Bereichen voll auskosten“, freut sich Oskar auf alles, was ihm die sportbegeisterte Community des kleinen Städtchens Wingate in den US-Südstaaten unzweifelhaft bieten wird.