Kerstin Schulze Kalthoff absolviert in Südafrika einen ihrer schönsten Dauerläufe

21.11.2023 | Im südafrikanischen Dullstroom bereiten sich seit drei Wochen Kerstin Schulze Kalthoff und Silas Zahlten auf die neue Saison vor. Wir haben mit Kerstin über das Leben und Trainieren auf 2000 Metern Höhe gesprochen.

Sponsor

Dullstroom: 600 Seelen-Örtchen auf 2000 Metern Höhe

Zweieinhalb Fahrstunden nordöstlich von Johannesburg entfernt liegt das Örtchen Dullstroom. Auf einer Höhe von 2.000 Metern  leben nur etwa 600 Einwohner, indes ist Dullstroom seit Jahren als Paradies für Läufer:innen und Geher:innen bekannt. Speziell im deutschen Herbst und Winter lockt der Ort mit warmen Temperaturen, traumhafter Landschaft und guter Logistik; ganzjährig können Ausdauer-Athletinnen und -Athleten von der dünnen Höhenluft profitieren, die bei umsichtiger Aussteuerung des Trainings leistungssteigernde Anpassungen im aeroben und anaeroben Stoffwechsel der Muskelzellen ermöglicht.

Kerstin Schulze Kalthoff befindet nach verletzungsbedingt verpasster Freiluftsaison im Aufbau für das Jahr 2024. Auf einen ersten laufspezifischen Trainingsblock im heimischen Münster sprach ihr Körper sehr gut an, das knapp vierwöchige Höhentrainingslager in Südafrika bildet jetzt den nächsten Schritt auf ihrem Weg zurück in die erweiterte nationale Hindernis-Spitze. Im Interview lässt uns die Athletin von Trainer Robert Welp teilhaben an ihrem außergewöhnlichen Alltag.

Kerstin, du wohnst und trainierst seit dem 02. November auf 2000 Metern Höhe. Wie hat dein Körper die Anpassung an die herausfordernden Bedingungen verkraftet? 

Kerstin Schulze Kalthoff: Die ersten fünf Tage haben wir es sehr locker angehen lassen, um uns bestmöglich zu akklimatisieren. Das ist problemlos gelungen und wir konnten die Intensitäten nach und nach steigern. Jeden morgen messen wir die Ruhe-Herzfrequenz, die erste moderate Belastung haben wir am fünften Tag eingestreut: eine VL3-Einheit (Erklärung: Laktatschwelle von 3 mmol/l, als Kennziffer für den Übergang vom aeroben in den anaeroben Belastungsbereich) unter Kontrolle der Laktatwerte. Bei mir passen alle Paramater – ich fühle mich seit Beginn sehr gut und von Einheit zu Einheit sinken die Laktatwerte bzw. kann ich bei gleich bleibenden Laktatwerten höhere Geschwindigkeiten laufen.

Wer ist mit dir und Silas Zahlten nach Südafrika gereist und wie seid ihr untergebracht?

Kerstin Schulze Kalthoff: Wir sind in in zwei Apartments untergebracht. Das eine bewohnen Silas, Kurt Lauer (LAZ Ludwigsburg) und Caro Hinrichs (VfL Löningen), das andere teile ich mir mit Verena Meisl (TV Wattenscheid), Steffen Baxheinrich (LG Olympia Dortmund) und Maximilian Feist (TV Wattenscheid). Die Apartments sind fußläufig 100 Meter voneinander entfernt und liegen in einem Sicherheitskomplex, zu dem man nur via Pin-Code Zugang hat. In einem weiteren Haus ist u.a. Markus Kubillus (DLV Bundestrainer Stützpunkt Lauf Bochum-Wattenscheid) untergebracht, er betreut uns hier in Dullstroom. Eine Woche nach uns ist eine Gruppe mit DLV-Kaderathlet:innen um Christina Hering (LG Stadtwerke München), Majtie Kolberg (LG Kreis Ahrweiler) und Karl Bebendorf (Dresdner SC) angereist; auch mit dieser Gruppe gibt es Schnittmengen, sei es bei der Trainingsgestaltung oder der Logistik.

Im heimischen Münster steigt der Anteil nasskalter Herbsttage. Wie sind die Witterungsbedingungen in Südafrika?

Kerstin Schulze Kalthoff: Wir haben hier gerade Frühling und es geht Richtung Sommer. Die überwiegende Zeit verbringen wir bei 23, 24 Grad und hohem UV-Index, jetzt in der letzten Trainingslager-Woche geht es bis 28 Grad rauf – Tempoläufe auf der Grasrundbahn werden dann zu einer echten Herausforderung. Allerdings erleben wir hier in der Höhe auch regelmäßig Wetterumschwünge, in wenigen Minuten verändert sich das Wetter von strahlend blauem Himmel zu einer dichten Wolkenwand mit Sichtweiten von vielleicht 20 Metern. Die Höhe ist sehr launenhaft.

Du blickst auf ein Verletzungs-Jahr zurück. Wie ist bei der der Status quo, kannst du in Dullstroom in die Vollen gehen?

Kerstin Schulze Kalthoff: Gute sechs Wochen vor Beginn des Trainingslagers bin ich wieder mit dem Laufen eingestiegen, nachdem ich zuvor insbesondere auf dem Rennrad sehr viel in der semispezifischen Grundlagenausdauer gearbeitet hatte. Ende September haben wir dann die Entscheidung fürs Trainingslager gefällt und ich kann sagen, dass das abwartende Vorgehen richtig war: Ich konnte hier in Dullstroom bisher alle Einheiten des Trainingsplans durchziehen und das macht mich sehr glücklich. Von Tag zu Tag fühle ich mich besser und auch die messbaren Trainingswerte entwickeln sich sehr gut. Läuft auch die finale Woche problemlos, liebäugele ich für den Dezember mit ersten Wettkämpfen.

Dullstroom bietet vielfältige Landschaften. Mal dominiert sattes Grün, mal bergige Prärie. Credits: Simon Hurry.

Wie können wir uns einen üblichen Trainingslager-Tag vorstellen?

Kerstin Schulze Kalthoff: Ich stehe gegen kurz vor 7, spätestens  um 7 Uhr auf, mache mir Frühstück und setzte mich gerne auf die Terrasse. Ab und zu werde ich von einem kleinen Gecko besucht. Zur ersten Trainingseinheit brechen wir gegen 9 Uhr auf – teils starten wir direkt an den Unterkünften, für die langen Dauerläufe fahren wir mit dem Auto 15 Minuten zu einer leicht welligen Laufstrecke oder erreichen in 30 Minuten die berühmte Grasbahn der Belfast Academy. Danach essen wir zu Mittag, ehe eine Pause folgt – ich nutze die Zeit um für die Uni zu lernen oder insbesondere um remote zu arbeiten; für diese Möglichkeit bin ich meinem Arbeitgeber sehr dankbar.  Selbstverständlich wird während der Mittagspause der eine oder andere Kaffee genossen. Um 16 Uhr geht es ins zweite Training, das meist etwas kürzer ist. Gegen 19 Uhr essen wir zu Abend, sitzen zusammen, quatschen, spielen Karten, regenerieren. Ab und zu gehen wir auch auswärts essen.

Blicken wir genauer auf deine Trainingsgestaltung. Was steht auf dem Programm und wie gelingt die Aussteuerung? 

Kerstin Schulze Kalthoff: Ich versuche mich der Gruppe anzuschließen und mit Caro und Verena zu trainieren. Unsere Rahmen-Trainingspläne sind aufeinander abgestimmt, wobei ich beispielsweise häufiger Krafttraining und Koordination einbaue. Die Dauerläufe finden quasi automatisch im profiliertem Terrain statt; bei lockeren 8 Kilometer-Dauerläufen hier vom Dorf aus kommt man schnell auf 120 Höhenmeter. Daran musste ich mich erstmal anpassen, der Kontrast zum Münsterland ist groß. Wir durchqueren unbeschreiblich schöne Landschaften und ich habe hier einen der schönsten Dauerläufe meines Lebens absolviert: Bei strahlend blauem Himmel haben wir auf einer Straße die Prärie durchquert, um uns herum große Erderhebungen und endlose Landschaft, ohne jede Störfaktoren. Auf der Grasbahn haben wir beispielsweise 800 Meter-Tempoläufe unter Laktatkontrolle absolviert. Ich halt mich im Übrigen an das, was auch in der Heimat gut funktioniert und höre sehr auf mein Gefühl – das funktioniert sehr gut und auch die Laktatkontrolle spiegelt das wider.

Welche Rolle spielt bewusste Regeneration?

Kerstin Schulze Kalthoff: Das Thema Regeneration steht zwischen den Einheiten im Fokus. Das direkte Auffüllen der Speicher mit entsprechender Verpflegung ist sehr wichtig, regelmäßig stehen Dehnung und Mobilisation auf der Agenda, aber auch sehr bewusste Zeit für Entspannung. Bisher habe ich so gut wie keine schweren Beine, das Gesamtpaket funktioniert. Persönlich bringt es mir viel, bei einem Kaffee zu entspannen.

Trefft ihr in Dullstroom auch auf Athlet:innen anderer Nationen?

Kerstin Schulze Kalthoff: Noch ist es eher ruhig,  aber nach und nach trudeln die Läufer:innen ein, wenn es ihnen zu Hause zu kalt wird. Das internationale Team eines großen europäischen Ausrüsters mit jungen Top-Athlet:innen wie Robert Farken, Cari Hughes (Großbritannien), George Mills (Großbritannien) und Tom Elminger (Schweiz) ist angereist und wird weite Strecken des Winters in einem Haus des Ausrüsters verbringen. Vereinzelt begegnen wir auch Marathon-Läuferinnen aus Tschechien oder Polen.

Am 28. November triffst du nach vier Wochen wieder in Münster ein. Was hält der Dezember für dich bereit?

Kerstin Schulze Kalthoff: Ich möchte gerne Mitte Dezember einen Straßenlauf absolvieren, je nach Qualität der Strecke als Wettkampf oder als Trainingslauf. Zum Jahresabschluss wartet dann ein großes Highlight, auf das ich mich ganz besonders freue: Gestern habe ich vom Veranstalter des Silvesterlaufs Trier eine Startplatz-Zusage bekommen. Ich werde das Jahr somit wieder im Konfettiregen von Trier ausklingen lassen können.