U23-EM-Norm für Jan-Eric Frehe und Silas Zahlten
29.05.2025 | Zwei U23-EM-Normen, eine Beinahe-EM-Norm (Viola John), eine gewaltige Steigerung (Nils Bovekamp) und der bisher stärkste Saisoneinstieg (Kerstin Schulze Kalthoff) waren der reiche Ertrag in Weinheim und Brüssel.
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Jan-Eric Frehe verblüfft mit 21,00 s und dem Gefühl eines schnellen Trainingsrennens. © Kai Brandhofe
Im Zeichen dreier Norm-Angriffe standen für die LG Brillux die Meetings in Weinheim und Brüssel. Verbündeter und Spielverderber in einem war dabei in Weinheim der Wind: Während er Jan-Eric Frehe auf den 100 m als laues Lüftchen von hinten (+0,4 m/s) den Weg für die erfolgreich abgehakte EM-Norm bereitete (10,38 s), meinte er es auf den 200 m einen Hauch zu gut – pfeilschnelle 20,84 s konnten angesichts von +2,1 m/s Wind nicht als Norm gewertet werden. Auch Viola Johns rasante 11,39 s fanden bei 2,9 m/s Rückenwind keine Anerkennung, nachdem sie im 100 m-Vorlauf bei regulären Bedingungen in 11,51 s um eine Hundertstel über der U23-EM-Norm geblieben war.
Probleme dieser Art haben Mittelstreckler nicht: Silas Zahlten konzentrierte sich beim internationalen IFAM Outdoor Brüssel losgelöst von Wetter-Einflüssen auf sein erstes Hindernis-Rennen seit zehn Monaten – in 8:44,02 min erzielte er die bisher zweitschnellste Zeit seiner Karriere und blieb fast vier Sekunden unter der Norm für Bergen (Norwegen).
Jan-Eric Frehe: Mit starkem Topspeed zur U23-EM-Norm
„Unser Plan ist fast perfekt aufgegangen. Ich freue mich aber dennoch über den sehr schnellen 200 m-Lauf.“ – Jan-Eric Frehe machte in der Weinheim-Retrospektive das einzig richtige: Er konzentrierte sich auf die Tatsache, an einem Tag zwei hochwertige Rennen abgeliefert zu haben.
„Unser Plan ist fast perfekt aufgegangen. Ich freue mich aber dennoch über den sehr schnellen 200 m-Lauf.“ (Jan-Eric Frehe)
Dabei war der hochambitionierte Sprinter nach seinem exzellenten Saisoneinstieg mit der klaren Zielstellung zweier Normerfüllungen in die Rhein-Neckar-Region gereist. Die für Sprinter erfolgskritischen Witterungs-Einflüsse versuchte er im Vorfeld der Rennen so gut wie möglich auszublenden und sich mit einer So-oder-So-Haltung auf die vom Athleten beeinflussbare Performance zu konzentrieren. „Nachdem ich am Anreisetag das Wissen um das recht maue Wetter-Radar noch aktiv von mir wegschieben musste, waren am Samstag jegliche Gedanken an die Bedingungen verpufft und ich konnte sofort in den Wettkampf-Modus schalten“, so Frehe, der sich beim Warmup auf der schnellen Weinheimer Bahn spritzig und leichtfüßig fühlte.
Alles war insofern angerichtet für das erste große Event der Freiluftsaison 2025, das dem 22-Jährigen im 100 m-Vorlauf einen Mann-gegen-Mann-Showdown mit den U23-Kontrahenten Emilio Gonzales (LT DSHS Köln) und Maurice Grahl (TSV Bayer Leverkusen) bescherte. Frehe, der solche Szenarien liebt, zeigte bei seinem 100 m Season Opener die starken Nerven eines selbstbewussten Top-Sprinters und ließ sich von einem eher rostigen Start nicht aus der Ruhe bringen: „Es fehlte auf den ersten Metern noch etwas an Spritzigkeit, aber alles, was danach im „fliegenden“ Bereich passiert ist, war top – ich konnte jeden im Lauf einsammeln, mich gegen alle direkten Kontrahenten behaupten und auch die U23-EM-Norm einsacken.“
„Es fehlte auf den ersten Metern noch etwas an Spritzigkeit, aber alles, was danach im „fliegenden“ Bereich passiert ist, war top – ich konnte jeden im Lauf einsammeln und mich gegen alle direkten Kontrahenten behaupten.“ (Jan-Eric Frehe)
200 m: EM-Norm Nummer zwei hauchdünn vom Wind verweht
In 10,38 s knackte JEF die Vorgabe des DLV (10,40 s) und musste dann eine Entscheidung treffen: „Es war ein Abwägen, ob wir im 100 m-Finale potenziell meine PB oder die PK-Norm angreifen oder auf den 200 m die Doppelnorm eintüten sollten. Wir haben uns für die 200 m entschieden – und das war an diesem Tag goldrichtig“, gibt der von Lars Goldbeck trainierte Athlet dem Hadern mit dem Wind keinen Raum.
In der Weinheimer Lotterie war es zwar die Winzigkeit eines von 0,1 m/s Zuviel, das Frehe nach rasanten 20,84 s im Sog des deutschen Rekordhalters Joshua Hartmann (ASV Köln / 20,65 s) die Doppelnorm verwehrte. Und, ja: Als zehn Minuten nach dem Rennen die Windmessung aktualisiert und 2.1 m/s auf der Anzeige standen, war Jan-Eric Frehe für einen Moment frustriert.
„Ich bin extrem stolz auf meine Performance auf beiden Strecken an diesem Tag und bin mir sicher, diese Zeit erneut oder noch besser laufen zu können.“ (Jan-Eric Frehe)
Unterm Strich steht jedoch eine durchweg positive Gefühlsbilanz: „Ich bin extrem stolz auf meine Performance auf beiden Strecken an diesem Tag und bin mir sicher, diese Zeit erneut oder noch besser laufen zu können. Ende Mai bin ich jetzt in einer Top-Position und wir können ohne viel Druck weiter trainieren.“
In der Tat hat Jan-Eric Frehe als Nummer zwei der deutschen U23-Bestenliste über die 100 m und Nummer eins über die 200 m ein ausgezeichnetes Fundament für die kommenden Monate.
Viola John: Beinahe-Norm gibt viel Selbstvertrauen
Als weibliches Pendant versuchte sich Viola John an ihrer Mission Bergen. Anders als bei Jan-Eric Frehe fiel bei Viola nach der Beinahe-Norm im Vorlauf – 10,51 s bei einer DLV-Vorgabe von 10,50 s – die Entscheidung für das 100 m-Finale. Im Kräftemessen mit Top-Sprinterinnen wie Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) und der früheren Münsteranerin Tatjana Pinto (OWL Athletics) bewies die 21-Jährige, dass sie eine großen Schritt nach vorne gemacht hat: Platz 5 in 10,39 s waren ein tolles Ergebnis.
„Die Ergebnisse zeigen mir, dass die Fortschritte im Training beständig größer werden, dass sowohl der Ansatz als auch die Umsetzung passen. Ich bin heiß auf die Saison und und gespannt, was noch so alles drin sein wird.“ (Viola John)
Dass der Wind mit 2,9 m/s deutlich zu stark blies und die EM-Norm an diesem Tag nicht fiel, konnte Viola mühelos verschmerzen: „Ich bin mega happy mit meinem Saisoneinstieg. Die Ergebnisse zeigen mir, dass die Fortschritte im Training beständig größer werden, dass sowohl der Ansatz als auch die Umsetzung passen. Ich bin heiß auf die Saison und und gespannt, was noch so alles drin sein wird.“
Mit ihrem regulären Weinheimer Ergebnis belegt Viola John vorerst Platz drei in der deutschen U23-Bestenliste. Auch auf den 200 m rangiert sie mit 23,67 s – gelaufen bei starkem Gegenwind zum Saisoneinstieg in Dortmund – auf dem dritten Platz. Analog zu Jan-Eric Frehe ist festzuhalten: Das Fundament nach dem ersten Saisonabschnitt ist hervorragend.
Silas Zahlten: EM-Norm im ersten Hindernis-Rennen seit zehn Monaten
Ein beeindruckendes Statement setzt in Brüssel Hindernisläufer Silas Zahlten: Die schweren Wintermonate Januar und Februar, die mit Laufpause in Folge eines Knochenmarksödems den Blick gen Sommer eingetrübt hatten, sind wie weggeblasen – in 8:44,02 min meldete Silas Zahlten gewichtige Ansprüche auf sein U23-EM-Ticket an. Fast exakt vier Sekunden blieb Silas unter der Norm-Vorgabe des DLV (8:48,00 min). Dabei behielt der 20-Jährige in der direkten Auseinandersetzung mit Kurt Lauer (VfL Sindelfingen / 8:48,26 min) klar die Oberhand – ein wichtiger Fingerzeig. Im ersten Finale gab der Thüringer Robin Müller in 8:41,03 min seine Visitenkarte ab. Gut möglich, dass das Trio, das einander aus den Jugendklassen kennt, die deutschen Farben in Bergen gemeinsam vertreten werden.
„Es war nicht das Ziel eine PB zu laufen, sondern nur die Norm abzuhaken und das habe ich geschafft.“ (Silas Zahlten)
In Brüssel ging Silas unter dem Eindruck seines gelungenen 3000 m-Tests selbstbewusst ins Rennen, das von einem Tempomacher gestaltete „Finale 2“. „Wir hatten nach meiner Vorleistung aus Dortmund damit gerechnet, dass 8:48,00 min kein Problem sein sollte, zumal sich die top besetzten Renenen in Brüssel für solche Vorhaben anbieten“, so Silas Zahlten. Im Sog des Pacemakers lief er einen offensiven ersten Kilometer, konnte sodann einen ruhigeren Mittelteil problemlos verschmerzen und schraubte das Tempo auf dem Schlusskilometer wieder nach oben. „Es war nicht das Ziel eine PB zu laufen, sondern die EM-Norm abzuhaken und das habe ich geschafft“, zog Silas Bilanz.
Am kommende Wochenende wird er in Karslruhe am Start sein, danach geht es in die Höhe von St. Moritz – dann beginnt die heiße Phase der Vorbereitung auf die ganz großen Saison-Höhepunkte.
Kerstin Schulze Kalthoff: Trotz Sturz am Wassergraben schnell unterwegs
Auch ein Sturz am letzten Wassergraben konnte Kerstin Schulze Kalthoff nicht stoppen: In 10:11,65 min stieg sie so schnell wie nie zuvor in die Saison ein und hakte auch die DM-A-Norm mühelos ab. „Die Wassergrabentechnik werden wir noch optimieren, um wenn möglich unter 10 Minuten zu laufen“, kommentierte Kerstins Trainer Robert Welp.
Schulze Kalthoff hat die große Barriere seit einigen Jahren im Blick, in diesem Jahr soll sie fallen. Bei 10:05,47 min steht Kerstins aktuelle PB. In der deutschen Bestenliste belegt sie mit ihrem Saison einen guten siebten Platz und die Grenzen scheinen auch deshalb längst nicht ausgereist, weil die 26-Jährige erkältungsbedingt verspätet ins spezifische Hindernistraining gestartet ist.
Nils Bovekamp: Die Puzzlesteine zum (vorerst) perfekten Rennen zusammengefügt
Erstmals absolvierte Nils Bovekamp ein Rennen auf der für Sprinter besonderen Weinheimer Bahn – dem 19-Jährigen verlieh das möglicherweise einen Extra-Motivationsschub. In jedem Fall passte das Setup schon im Vorlauf gut zusammen und als die elektronische Uhr für Nils 10,99 s anzeigte, war der Schützling von Jan Vogt aus dem Häuschen: „Meine erste 100 m-Zeit unter 11 Sekunden war ein absolutes Highlight“, gibt er zu Protokoll.
„Mit so einem Finale hat keiner von uns gerechnet, glaube ich. Als ich dann die Ziellinie überquerte und einen Blick auf die Zeit warf, konnte ich es kaum glauben“ (Nils Bovekamp)
Aber es kam noch besser: Im B-Finale erwischte Nils Bovekamp bei perfekten Bedingungen (+1,6 m/s Wind) einen für den Moment perfekten Lauf, in 10,78 s stürmte er als Sieger ins Ziel. Bedenkt man, dass die Vorjahres-PB bei 11,20 s lag, gleicht die Steigerung einer veritablen Leistungsexplosion. „Mit so einem Finale hat keiner von uns gerechnet, glaube ich. Ich war sehr ruhig und entspannt im Vergleich zum Vorlauf und hatte im Gefühl, dass ich noch etwas rausholen kann – als ich dann die Ziellinie überquerte und einen Blick auf die Zeit warf, konnte ich es kaum glauben“, sagt ein fast schon ungläubiger Nils Bovekamp und ergänzt: „Ich brauche wohl noch ein paar Tage, um dieses Wochenende, bei dem viele Dinge zusammengepasst haben, zu verarbeiten.“
„In Weinheim ist es Nils gelungen, die Puzzlesteine zusammenzufügen. Vor allem hat er jetzt das Stehvermögen gezeigt, den aufgebaut Speed zu haltenn.“ (Jan Vogt)
Trainer Jan Vogt war im Moment der Leistungs-Offenbarung zwar auch verblüfft, grundsätzlich aber weniger überrascht als sein Athlet: „Nils hatte schon im Erich einen brutal guten Start, danach aber das freie Laufen vergessen. In Weinheim ist es ihm gelungen, die Puzzlesteine zusammenzufügen. Vor allem hat er jetzt das Stehvermögen gezeigt, den aufgebaut Speed zu halten.“ Jan Vogt wäre nicht Jan Vogt, wenn er nicht weiteres Potenzial ausloten würde: „Es gibt, im positiven Sinne, noch einige Baustellen, die wir im Training angehen werden.“ Als Marschroute gibt er zumindest eine Bestätigung, womöglich sogar eine weitere Steigerung der Zeit von Weinheim aus, mit der Nils Bovekamp in die nationale U20-Top 10 vorgestoßen ist.
Jakob Bruns: Bärenstarke 100 m, muskuläre Probleme auf den 200 m
Jakob Bruns ging selbstbewusst und voller Vorfreude in die Weinheimer Rennen, aus den letzten Einheiten hatte er ein gutes Gefühl mitgenommen. Dieses Gefühl bestätigte sich auf den 100 m: Bärenstarke 10,69 s brannte Jakob bei moderatem Rückenwind auf die Bahn – erst zweimal war er in seiner Karriere schneller und im Übrigen unterbot er die DM-B-Norm um eine Hundertstel. „Das sehr gute Gefühl wollte ich auf die 200 m mitnehmen“, sagt Jakob Bruns, der zuletzt in Dortmund-Hacheney schwierige 200 m erlebt hatte, als er nach der Kurve fest geworden war und seinen großen fliegenden Schritt vergeblich suchte.
„Mein fliegender Schritt hat viel besser funktioniert als in Dortmund. Leider spürte ich ausgangs der Kurve ein Stechen in meinen Oberschenkeln, wurde erneut fest – und die letzten 80 m waren leider nur noch ein Krampf.“ (Jakob Bruns)
Im dritten Zeitlauf fand der 23-Jährige bei idealen Wind-Bedingungen sehr gut ins Rennen und durcheilte die ersten 120 m planmäßig. „Mein fliegender Schritt hat viel besser funktioniert als in Dortmund. Leider spürte ich ausgangs der Kurve ein Stechen in meinen Oberschenkeln, wurde erneut fest – und die letzten 80 m waren leider nur noch ein Krampf“, berichtet Jakob, der immerhin in 21,79 s eine klare Steigerung seiner SB erzielte. Gemeinsam mit Trainer Lars Goldbeck wird Jakob jetzt die bereits unter dem Eindruck von Dortmund begonnene Problemanalyse vertiefen. „Wir werden versuchen, die Problematik aufzudecken und eine Lösung zu finden. Ich habe mir für die Saison Ziele gesetzt und die möchte ich auch umsetzen“, gibt sich Jakob Bruns gewohnt kämpferisch.
Nils Hartleif fehlt die Spritzigkeit, Tabea Christ das Timing
Dass eine lineare Progression innerhalb einer Saison eher unüblich ist, das ist eine Binsenweisheit. So waren denn auch die 100 m-Rennen von Nils Hartleif im Weinheimer Vorpgrogramm (11,02 s / 11,06 s) objektiv betrachtet keine Enttäuschung. Hartleif, der sich in Horstmar auf 10,90 s gesteigert hatte, stecken nach Einschätzung von Jan Vogt die zurückliegenden harten Trainingswochen in den Knochen: „Denen hat er Tribut gezollt und folglich legen wir jetzt eine kleine Wettkampfpause ein, um die Spritzigkeit zurückzuerlangen. Nils hat in jedem Fall sehr gute Trainingseindrücke gezeigt, die mehr erhoffen lassen.“
Mehr erhofft für ihren zweiten Weitsprung-Wettkampf hatte sich sicherlich Tabea Christ, zumal schnelle 11,81 s über die 100 m (SB) ein gelungener Aufgalopp waren. Von ihren sechs Sprüngen war dann lediglich der erste brauchbar (6,07 m), danach passte nicht mehr viel zusammen für die 6,49 m-Springerin. Indes ist die Saison noch jung.
„Nils hat den harten Trainingswochen Tribut gezollt und folglich legen wir jetzt eine kleine Wettkampfpause ein, um die Spritzigkeit zurückzuerlangen.“ (Jan Vogt)
Natalie Pisoke über die Stadionrunde im Soll
Erstmals in dieser Saison auf der Stadionrunde griff Natalie Pisoke an. In 56,79 s kam die 21-Jährige zwar nicht an ihre Hallen-PB heran, erzielte aber immerhin ihre stärkste Freiluft-Zeit und war damit im Soll. „Natalie ist furios angegangen und hat unsere Schnelligkeitsarbeit hervorragend umgesetzt. Auf der Zielgeraden musste sie dem Tribut zollen. Aber das ist nicht überraschend: Die 400 m leben von der Wettkampfpraxis, das spezifische Stehvermögen auf den letzten 100 m hat man zum Saisonauftakt oftmals noch nicht“, ordnet Trainer Jan Vogt das Rennen ein. In den kommenden Wochen wird er mit Natalie Pisoke genau an diesem Stehvermögen arbeiten. Optimistisch stimmen für den weiteren Saisonverlauf die bereits eingefahrenen Früchte auf der Unterdistanz, die 200 m-PB von Braunschweig (25,35 s).